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[Allgemeines Pressgesetz des Bundestages.]

Auszug

* Berlin, 29. Juni. Die Ankunft des Hrn. Münch-Bellinghausen in Frankfurt wird von definitiven Maßregeln des Bundestags begleitet sein. Von Seiten Oestreichs und Preußens wird dem konstitutionellen Deutschland eine entscheidende Frage gestellt werden, deren nächste Beantwortung offenbar von beiden Seiten eine feindliche, ja selbst eine durch Militärmacht unterstützte Stellung sein könnte. Welche Rolle die bairische Regierung bei dieser Verwirrung übernehmen wird, kann um so weniger mit Sicherheit voraus gesagt werden, je mehr das Ansinnen des Bundestags deutlich gegen sie selbst und namentlich den geringen Widerstand, den sie seither den sogenannten revolutionären Bewegungen ihres Gebietes geleistet hat, gerichtet ist, und je mehr wieder auf der andern Seite der Eintritt des Grafen Wrede in den Rheinkreis, die beabsichtigte Konferenz auf der bairischen Gränze, der längere Aufenthalt des Bundespräsidialgesandten in München, dennoch auf ein Einverständniß mit den erwarteten Frankfurter Schritten und Maßregeln zu deuten scheint. So viel steht fest, und ich spreche keinem Gerüchte, sondern einer ziemlich sichern Quelle nach, in den nächsten Tagen wird allgemein ein entscheidender Schlag des Bundestags erwartet, der sich auf den scheinbaren Rechtsgrund, die einzelnen Glieder des Bundesstaats müßten unbedingte möglichste Conformität ihrer Institutionen im Auge behalten, stützen wird. Es ist möglich, daß eine Nachricht, die vor mehreren Monaten von Stuttgart aus dem Freisinnigen zukam, als wolle Baiern gegen die badische Preßfreiheit mit Bajonetten und Kanonen zu Felde ziehen, und die damals unter bessern Auspizien nur belächelt wurde, jetzt an Wahrheit gewonnen hat; wenigstens haben die in den preußischen Rheinprovinzen kommandirenden Generale Befehl erhalten, jeder Bitte um militärischen Beistand von Seite des Bundestags oder der übrigen Regierungen schleunigste Folge zu leisten, ja, man hat mich versichert, die Verstärkung der rheinischen Besatzungen und die Sistirung ihres Rückmarsches gelte weder Belgien noch Frankreich, sondern allein den deutschen Angelegenheiten, deren Verwirrung man einzelnen „Tollköpfen“ und einigen übermüthigen „Landstädtchen“, die sich von der Prosa des Lebens emanzipiren wollen, zuschreibt. – Das vom Bundestag erwartete allgemeine Preßgesetz wird natürlich bei den nächsten Ergebnissen unsrer Zustände noch verzögert werden; aber man kann getrost die Versicherung geben, daß an ihm wenig verloren geht. Die Grundlage der deßfallsigen Frankfurter Verhandlungen bildet bekanntlich der berühmt gewordene 70 Bogen starke preußische Entwurf, dessen Ursprung auf ältere Zeiten und auf die timiden Tage der Restauration zurückgeht. Das Hauptprinzip desselben ist und bleibt die Zensur, wie ich bestimmt versichern kann. Schon früher, ehe noch die Stimmen der Völker lauter zu fordern anfingen, ist dieser Preßentwurf hin und her ventilirt worden. Nach welchen Grundsätzen dabei verfahren wurde, lernt man daraus, daß man den Gedanken an allgemeine Preßfreiheit nie faßte, sondern nur von Begünstigung einzelner Klassen sprach. Bald hieß es, den Lehrern der Hochschulen solle das Recht, und zwar das alte Recht, ohne Censur schreiben zu dürfen, wieder zugestellt werden; bald sollten die Administrativbeamten, bald die Gemeindeverwaltenden die Auserwählten sein. Wie soll nun auf einen so schwankenden Boden in Frankfurt ein haltbares, sichres Gebäude, das zugleich wohnlich und für Eigenthümer und Miether gleich bequem ist, errichtet werden, und wer erwartet überhaupt die Freiheit aus den Händen des Absolutismus?