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Bogumil Dawison

Auszug

Gewiß gehört es zur Verfeinerung der Bildung eines Volkes und zur Belebung des ästhetischen Verkehrs, wenn der Grundsatz angenommen wird, daß, wenn man einmal die Feder führt, man auch verpflichtet ist, über das Leben und die Kunst berühmter Darsteller zu berichten, mit denen uns das Leben zusammenführte. Und nicht einmal um die Kunstgebilde handelt es sich, sondern um den ganzen, vielleicht von Niemand so, wie von irgend einem Eingeweihten, belauschten Charakter. Dawisons Leben, Extravaganzen, Thorheiten erzählen, heißt seine Spielweise charakterisiren. Wer braucht eine Schilderung der Art und Weise, wie einst die Clairon spielte! Man liest einfach ihre Memoiren, ihren originellen Lebenslauf, ihre in Ansbach über ein Land, einen Fürsten, dessen rechtmäßige Gemahlin ausgeübte Herrschaft, eine Herrschaft wie mit der Reitgerte, und hat das ganze Bild der Dejazet des vorigen Jahrhunderts vor sich. Sie wird die des unsrigen gewiß bei Weitem sowol im Leben wie auf den Brettern an Caprice und herausforderndem Humor übertroffen haben. Das tägliche Spielenmüssen machte leider zuweilen die Dejazet recht schläfrig.

Glückliche Stunden, die ich Jahre lang im vertraulichsten Verkehr mit Dawison verlebte, sollen sie verrauscht sein im Strom der Zeiten? Soll sich nicht die Pflicht des Schriftstellers regen, Annalist zu sein von allem, was die Zeit auch hier in seine unmittelbare Nähe rückte? Und zumal, da die Berichte, die beim Tode des leider an Geisteskrankheit gestorbenen Künstlers fast durchgängig gegen ihn gerichtet waren, mehr seine Schwächen, als seine Vorzüge hervorhoben, und wie von neidischen „Collegen“ geschrieben schienen. Die junge Feuilletonistik hat meist Theaterstücke auf dem Lager und witterte die beifällige Aufnahme ihrer abfälligen Artikel bei einer in Theatersachen machtbegabten Instanz, die auf Dawison einen speciellen Haß geworfen hatte.