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Tagebuch aus Berlin. I.-XIX.

Auszug

Reiseerlebnisse drucken zu lassen, ist in Verruf gekommen. Geschwätzige Touristen haben soviel von unsern Privatverhältnissen verrathen, daß man unsre Zeit einst in der Literaturgeschichte als die Periode der Indiscretionen bezeichnen wird. Man wird meinen Mittheilungen nicht nachsagen dürfen, daß sie ein geschenktes Vertrauen verletzt hätten. Ich habe nicht gesagt, wann ich bei einem Diner fasten mußte, oder ob eine meiner Wirthinnen eine schlechte französische Aussprache hatte. Ich bin mir bewußt, keine bürgerliche, stillbescheidene Tugend auf den Markt der Öffentlichkeit gezerrt, oder an berühmten Persönlichkeiten verrathen zu haben, wenn ihr Auge einer Dieffenbachschen Hülfe bedürftig war. Wozu das? Nicht mehr hab’ ich von meinen persönlichen Erlebnissen verrathen wollen, als was grade hinreicht, um Menschen und Zuständen einmal einen Spiegel vorzuhalten und ihnen den Schatten zu zeigen, den sie in dem Lichte unbefangener Beurtheilung werfen. Wie selten kommen wir dazu, uns zu sehen, wie wir uns von der Seite ausnehmen! Fixirt uns einmal ein Anderer, so erspart er uns eine Mühe, die wir uns im Gewühl unsrer Berufsgeschäfte nicht immer selbst nehmen können. So mögen sich die Namen, die ich nannte, in meinen kleinen Bleistiftskizzen wiederfinden und selbst der Rüge sich freuen, da es eines freien Geistes würdig ist, lieber es zu haben, daß man, auch in seinem stillen Wirken, geprüft, als gänzlich unbeachtet bleibe.