Der historische Roman
Auszug
Nachdem die letzten Stanzen des großen Heldengedichtes Napoleon in den Trauerweiden auf St. Helena verklungen waren und sich die Weltgeschichte so dicht vor Jedermanns Augen entwickelt hatte, daß man das Schnurren der Räder und das elektrische Spinnen des Weltgeistes mit sahe und vernahm; da hatte sich die ganze europäische Phantasie in den Spinneweben historischer Combinationen verfangen; man machte aus Spaziergängen Begebenheiten, aus Erholungen Thatsachen; man wollte nichts mehr anerkennen, als was auf historischen Fundamenten beruhte. Die Politik, welche Napoleon’s Bienenmantel an die siegreichen Kriegsknechte in einzelne Fetzen zerschnitt, blätterte in alten Pergamenten; die Philosophie, ermüdet von den vorangegangenen Luftspiegelungen und Fantasmagorien, begann aus der Geschichte nachzuweisen, daß man auch früher um die Breite eines Haares sich gestritten hatte; auch die Poesie, diese schüchterne kleine Mondscheinnymphe, die sich früher nur mit der Historie abgegeben, höchstens, wenn es den Ahnungen der Zukunft galt, wandte sich jetzt auch rückwärts und schlüpfte in alte Zeiten und Erinnerungen, drängte sich graziös durch Jahreszahlen, Friedensschlüsse, Landtagsabschiede, sah Feldschlachten und Belagerungen zu und tupfte oft recht naiv in Blutströme, von denen sie kaum wußte, warum sie vergossen waren. So entstand die historische Romantik, deren großer Apostel Walter Scott war.