Volk und Publicum
Auszug
Volksliteratur kann zweierlei bedeuten: Büchlein, kommst du vom Volke oder Büchlein, gehst du zum Volke?
Kommst du vom Volke, so bringst du uns wol die genaueste Kunde mit, wie es unter dem Dache der Armuth, hinterm Pfluge und auf dem Heuboden, hinter dem Werkstattstische und unter der Dachkammer, da, wo die Gesellen und Lehrlinge nicht weit von der Regentraufe schlafen, aussieht. Diese Bücher haben wir gewiß Alle gern, wenn sie Wahrheit bringen, dem Leben abgelauscht sind, ein gutes, sanftes und nur höchstens zur Förderung des Guten einmal ein bischen zorniges Herz verrathen. Diese von unten kommenden Bücher und Lebensbilder sind uns so willkommen, daß wir sie gerade noch immer höher und höher in Gunst steigen sehen. Auf seidenen Polstern, auf sammetnen Divans, unter leuchtenden Walrathkerzen hat man schon die vornehmsten Damen über die kleine Volkswelt, über deine Gedanken hinterm Pfluge, Bauer, deine Gedanken auf dem Heuboden, Knecht, deine Gedanken hinter der Drechselbank, Gesell, und deine – falls du nicht schnarchst – Gedanken unter der Dachkammer bei der Regentraufe, Lehrling, lachen, weinen gesehen und euer Elend und euer Glück, eure Poesie und eure Prosa las sich gedruckt ganz vortrefflich in den weißen, zarten, durchsichtigen Fingerchen mit den blitzenden Diamantringen und den langen, wohlgepflegten chinesischen Nägeln. Ja sogar höchst verdorbene ästhetische Mägen, Mägen, die an einem ewigen kritischen Sodbrennen litten, haben sich durch die einfache ländliche und kleinstädtische Kost dieser Lectüre wieder erholt und alle jene Unverdaulichkeiten überwunden, welche die Trüffel- und Mixed Pickles-Literatur bei ihnen zurückließ.