Deutsche Holzschnitte
Auszug
Endlich wäre noch die dresdener Xylographie zu erwähnen, die noch weiter zurück- und zuweilen fehlgegriffen hat, was die Art und den Charakter des Holzschnitts anlangt, aber entschieden den Vorsprung gewann, was die freie künstlerische Behandlung und das Anschmiegen an die künstlerische Absicht betrifft. Als das Extrem dieser Richtung müssen wir die Holzschnitte des Rethel’schen Todtentanzes bezeichnen. Hier ist die alte Holzschneidemanier aus dem „Theuerdank“ und „Weißkunig“, die grobkräftige Art Wohlgemuth’s und Manuel’s so nachgeahmt, daß wir bei Betrachtung solcher Leistungen mehr antiquarisch und sogar tendenziös als behaglich uns angemuthet fühlen. Wenn manches noch jetzt aus dresdener Ateliers Kommende an diese antiquarische Art der Holzschneidekunst erinnert und uns zuweilen auch durch allzu lichte, allzu hell und schattenlos gehaltene Behandlung der Stöcke kein rechtes Wohlgefallen abgewinnt, so mögen die Aufgaben der Besteller Schuld daran sein; Märchen, biblische Darstellungen, artistische Tendenzen der Vorzeichner bringen solche marklose Töne und Tinten von selbst mit sich. Ganz besonders wohlthuend aber ist die Art, wie sich der reiche und unerschöpflich scheinende poetische Genius Ludwig Richter’s den Holzschnitt ganz nach seinem Wunsch und Bedürfniß unterthan gemacht hat. Da schmiegt sich Absicht und Ausführung so innig aneinander, daß man an der Holzschnittbehandlung keinerlei Manier oder specielle Extraabsicht merkt; Zeichnung und Holzschnitt sind Eins. Und darin möchte denn auch die eigentliche Aufgabe der Xylographie unserer Tage überhaupt liegen, daß sie nichts Apartes für sich sein darf, sondern nur die rascheste Ausführung des erfindenden Künstlercrayons . Will sie mehr sein, will sie mit Stahlstich oder Lithographie wetteifern, so verfällt sie entweder in Unzulänglichkeit und ins Bedeutungslose oder, wie man Beispiele genug dafür aufführen könnte, ins Gesuchte und die Manier.