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[Leipziger Literaturpöbel gegen Gutzkows Furcht vor der Preßfreiheit]

Auszug

- - Die Charakteristik, die wir kürzlich in unserm Aufsatze: „Furcht vor der Preßfreiheit“ von einem gewissen Theil unsrer Presse gaben, hat der Leipziger Literaturpöbel sehr wohl verstanden. Wir hören, daß seine Blätter, die man wenigstens in Frankfurt nicht liest, jetzt überaus voll Zetergeschrei seyn sollen. Die Behauptung, daß der Telegraph heute für, morgen gegen die Preßfreiheit wäre, ist albern. Unsre Zeitschrift hat so sehr den Druck der Censur zu fühlen, daß wir ja wahnsinnig wären, dieses Joch für süß zu halten. Da wir aber gewohnt sind und der Redakteur seit zwölf Jahren gewohnt ist, nie Chorus zu machen, so haben wir auch von der Preßfreiheit die aparte Ansicht, daß wir sie so besitzen wollen, um sie nie wieder verlieren zu können. Wir würden sie aber wieder verlieren, wenn mit der Preßfreiheit nicht auch ein neuer Organismus unsrer Journalistik verbunden würde. Wir wollen Preßfreiheit für Schriftsteller, die dem Vaterlande dienen, wie in Frankreich und England die ganze Literatur dem Vaterlande dient. Jene Lotterbuben aber, die „im Schatten unserer kühlen Denkungsart,“ in der Ohnmacht unserer öffentlichen Zustände, in der Stagnation eines innationalen und unpolitischen Volksdaseyns, das Privilegium an sich gerissen haben, die Blätter mit ihrer trivialen Notizenschreiberei, mit ihrer gesinnungs- und talentlosen Feuilletonistik und den ekelhaften Gemeinheiten gegen Schauspieler und Schriftsteller anzufüllen, diese Landstreicher und Leuteverderber würden es sehr bald dahin bringen, daß die theuerwerthe Institution, der wir nur eine praktische Form und Modificirung wünschen, ein rechter Landschaden für die Menschheit werden könnte. Zur literarischen Canaille rechnen wir Menschen, die, preßfrei geworden, nicht wissen würden, welchen andern Gebrauch sie von der freien Presse machen sollten, als jede Unfläthigkeit, die ihnen gegen andere Menschen einfällt und bis jetzt noch glücklicherweise von der Anstandscensur gestrichen wird, frei heraus drucken zu lassen. Daß einmal einer von diesen Gesellen hinginge und eine Zeile gegen einen Staatsmann schriebe! Eher bisse sich der servile Schmeichler, der seine Novellen einer fürstlichen Braut widmet, Hochzeitsgedichte verfertigt und dergl., die Finger ab! Genug von dieser Misère. Die Nothwendigkeit der Preßfreiheit ist eine heilige Thatsache. Aber wenn sie kommt, dann komme sie segensreich. Sie komme nicht als Macchiavellismus, als ein Geschenk, das wir Gott danken, wieder loszuwerden, als der König Storch, den sich die Frösche vom Jupiter erbitten. Daß die Preßfreiheit ein Segen werde, dazu ist eine revidirte Grundlage der Literatur nothwendig. Die Preßfreiheit ist etwas viel zu Ernstes und Heiliges, als daß sich das, was bisher die Frechheit hatte, sich für Literatur auszugeben, noch ferner dafür ansehen ließe. Die Preßfreiheit ist nur da ein Segen, wo ihr sittlicher Ge- brauch garantirt ist. Wie diese Garantieen zu beschaffen sind, das ist eine weitere Frage, eine Frage, die für den Leipziger Literaturpöbel (eine Schande, daß der Literatenverein diese Gesellen in seinem Schooße duldet) zu hoch liegt! Auf die Verdächtigung unserer Gesinnungen auf das elende Handwerk der Consequenzenmacherei sahen wir mit ruhiger Verachtung herab. Ein Leben voller Kampf und Mühen, ein Gesinnungsstolz, der jede Lockung unehrlich erkauften Glückes verachtet hat, ein Gewissen, das sich bewußt ist, nur das Rechte, Freie und Ehrliche zu wollen, spricht uns los und reinigt uns von Allem, womit uns jene Leipziger Papierversudler begeifern möchten.